Womit wird eigentlich vergoldet bei einem Waldüberfall frag ich mich gerade – OT 99-02 (JR) &

Womit wird eigentlich vergoldet bei einem Waldüberfall frag ich mich gerade –  OT 99-02 (JR) &

Womit wird eigentlich vergoldet bei einem Waldüberfall frag ich mich gerade – OT 99-02 (JR) &

Es ist ein kurzer Moment der Selbstvergessenheit, in dem die Frau über ihren Verkaufsposten hinweg ins Leere blickt. Der Ort: wahrscheinlich ein Geschäft für Bekleidung und Nobelaccessoires, wie es sie zu dutzenden in jeder großen Shoppingmeile gibt. Die Aufnahme: ein verschwommener Wirklichkeitsausschnitt, abgelichtet durch das gläserne Schaufenster. Unbestimmt, rätselhaft und doch alltäglich.

Ein wenig Heroismus des banalen Daseins spielt in der fotografischen Serie mit, für die sich der in Hamburg und Berlin lebende Künstler Stefan Panhans zwischen 1999 und 2002 in zahlreichen europäischen Städten auf Spurensuche begeben hat. Es ist die Welt der Modelabels und Luxusautomobile, der Designhotels und feinen Restaurants, der Verführung und der Wünsche, aufgenommen durch die erbarmungslose Transparenz der Fensterscheiben. Die Protagonisten der Bilder sind die Mädchen und Frauen, die die Schnittstelle zwischen Unternehmen und Kunden bilden: Messehostessen, Galerieassistentinnen, Bankkaufrauen und Servicekräfte. Sie sorgen in ihrer jeweiligen Umgebung für das richtige verkaufsfördernde Ambiente, den nötigen Charme, verheißen den Kunden die Erfüllung ihrer Wünsche.

Außerhalb dieser Orte mögen sie Umweltaktivistinnen oder Kunststudierende, vielleicht auch Ehefrauen und Mütter sein, sich in Styling und Auftreten unterscheiden, doch in ihrem beruflichen Wirkungsfeld sind Kleidung und Verhaltensnormen bis ins kleinste Detail vom Arbeitgeber abhängig und reglementiert. Eine Uniformierung, die auch die Protagonistinnen der Serie kennzeichnet: streng, schlicht und elegant fügen sie sich in das kühle Interieur ihrer Umgebung ein. Dabei ist sekundär, ob die Aufnahmen in Warschau, Malmö oder Neapel entstanden sind, denn nur kleine Nuancen lassen erahnen, dass es sich um unterschiedliche Verkaufsfilialen und Personal handelt. Zu sehr ähneln sich Aufmachung und Konsumentenansprache, kurz: die corporate identity der abgebildeten Verkaufsorte.

Ein Phänomen, bedingt durch einen globalisierten Markt gleichgeschalteter Images, das seit Entstehung der Serie Ende der 90er Jahre an Aktualität nicht verloren hat. Im Gegenteil: Selbst im internationalen Vergleich präsentieren sich heute die Fassaden der Designershops in gläserner Uniformität, bestimmt ein ähnliches Produktdesign den Look der Angestellten, locken die  gleichen Werbeikonen aus idealisierten Bildwelten.

Und auch Panhans Fotografien erinnern auf den ersten Blick an die Lichtregie und schillernde Farbpalette inszenierter Werbebilder. Doch dieser Eindruck wird durch die Schnappschussästhetik relativiert, die methodisch der klassischen Street Photography entlehnt ist. Denn mit scheinbarer Zufälligkeit wird hier genau der Augenblick fixiert, in dem die Frauen einen Moment lang nicht in Interaktion mit einem Kunden stehen: Sie warten, ordnen die Waren oder lachen wie beiläufig in die Kamera. Ihr Verhalten liest sich als eine flüchtige Unaufmerksamkeit, ein kurzes Entgleisen, wie ein Fehler auf der sonst so durchkomponierten Präsentationsfläche, mit der sie tagtäglich verwachsen sind.

Diese Synthese von Person und Warendisplay wird von Panhans noch weiter gesteigert, indem er die Frauen kompositorisch mit der ästhetischen Struktur des Bildes verschmelzen lässt. Das funktioniert in erster Linie durch Lichtreflexionen, die Außen-und Innenwelt miteinander verknüpfen. So verbinden sich auf vielen der Abbildungen die Spiegelungen der Schaufenster komplementierend mit den Umrissen der Protagonistinnen. Exemplarisch dafür steht das Bild „O.T. #1“: Eine junge Frau sitzt auf einem Designersofa und liest. Dem Verkaufsraum ist eine Fensterscheibe vorgelagert, auf der sich die Reflexion einer roten Autokarosserie abzeichnet und wie ein Umhang um Kopf und Schultern der Lesenden schmiegt.

Spiegelungen und die den Umständen der Aufnahmen geschuldete Unschärfe in Vorder- und Hintergrund schaffen zusätzlich Licht-Effekte, die die Bildfläche in einen diffusen Nebel hüllen, die Szenerie seltsam entrücken und den Betrachter wie durch einen Gazeschleier auf eine ihm entfernte Bühne blicken lassen. Dieser Eindruck wiederholt sich auch in anderen Bildern der Serie: Beispielsweise bei der Abbildung einer jungen Verkäuferin („O.T. #4“), die hinter ihrem Kassentisch eine Frauenzeitschrift liest. Hier bedingt die Reflexion auf der Schaufensterscheibe eine goldene Trübung, die Frau und Interieur gleichermaßen einschließt. Der Rezipient wird von seinem entfernten Standpunkt aus zum Beobachter, beinahe zum Voyeur.

Er wird Zeuge einer Szenerie, die in sich geschlossen erscheint und damit Assoziationen zu normativen Rollenbildern zulässt: Denn die strukturelle Verknüpfung der Frauen mit den Dingen ihrer Umgebung mag darauf hindeuten, dass sie ein überkommenes, gesellschaftsgeprägtes Bild nicht überwinden können. Feminin, elegant und sexy werden sie selbst zu Objekten, sind  Projektionsfläche für Begehrlichkeiten und Wünsche – und somit auch metaphorisch mit der Warenwelt und ihren Versuchungen verbunden. Und: die Kehrseite der Idealisierung der Frau ist auch immer ihre Abwertung, die Reduzierung auf einen sozialen Stereotyp, mit dessen ambivalenter Außenwirkung Panhans in seinen Fotografien spielt:

„Mich interessierte und faszinierte das sehr konservative Rollenmodell, das hier vorgetragen wird. Ich wollte mit dieser Arbeit ganz und gar eintauchen in diese fetischisierte und instrumentalisierte Welt, die immer und immer wieder ein längst überkommenes Märchen erzählt, vielleicht um dieses für mich auf eine Art loszuwerden und gleichzeitig eine Öffentlichkeit an diesem Prozess teilhaben zu lassen.“

Gleichzeitig wird die affirmative Ästhetik der Verkaufs-Settings konterkariert und mittels ihrer eigenen Inszenierungsstrategien übersteigert und aufgebrochen: Panhans überlagert die  verführerischen Auslagen Schicht um Schicht, stilisiert sie zu lichtdurchfluteten Wunschwelten, leuchtenden Collagen, zu Bühnen des schönen Scheins – einzig durchbrochen von einem kurzen Gestus, einem Augenaufschlag, einer ungelenken Handbewegung ihrer weiblichen Akteure. Und zeigt damit genau auf die vorhandenen kleinen »Risse« innerhalb dieser auf Perfektion und  Geschlossenheit ausgerichteten Wareninszenierungen.

 

Leave a Reply

Name*

e-Mail * (will not be published)

Website