Sylvie Ringer „Two worlds – in and out of shadowland“

Sylvie Ringer „Two worlds – in and out of shadowland“

Sylvie Ringer „Two worlds – in and out of shadowland“

Wir freuen uns sehr, am Samstag, den 19. Juli 2025 um 15 Uhr zur Eröffnung der Ausstellung in den Kunstverein Jesteburg einladen zu dürfen.

Es gibt Räume, die erschließen sich nicht auf den ersten Blick. Sie verlangen nach einer anderen Form der Aufmerksamkeit – einer Art inneren Wahrnehmung, die nicht zielgerichtet ist, sondern tastend, vielleicht auch lauschend, in jedem Fall offen. Sylvie Ringers Ausstellung „TWO WORLDS – In and out of shadowland“, die im Sommer 2025 im Kunstverein Jesteburg zu sehen ist, lädt zu genau einer solchen Bewegung ein: einem Eintauchen in ein vielschichtiges System aus Zeichnungen, installativen Setzungen und atmosphärisch verdichteten Landschaften, in denen Innen- und Außenwelt, Naturbeobachtung und seelische Resonanz aufeinander treffen.

Ringer, deren künstlerisches Werk sich seit Jahren entlang von Naturformen und Bewusstseinszuständen entfaltet, geht hier einen konsequent psychologischen Schritt weiter. Inspiriert vom therapeutischen Konzept des Internal Family Systems (IFS), versteht sie die Psyche als pluralen Organismus – als ein Feld innerer Stimmen, Fragmente, Anteile, die nicht in eine lineare Erzählung münden, sondern als visuelle Konstellationen in Erscheinung treten. Ihre Bilder bewohnen diesen Innenraum, ohne ihn festzulegen. Sie zeichnen keine Diagnosen, sondern bringen Bewegungen ins Bild: vorsichtige Annäherungen, Überschneidungen, Widerstände.

Was in dieser Bildsprache anklingt, erinnert an Carl Gustav Jung, der das Selbst nicht als feste Einheit, sondern als dynamisches Zusammenspiel bewusster und unbewusster Kräfte dachte. Für Jung war der „Schatten“ kein Makel, sondern ein notwendiger Teil des psychischen Ganzen – jener Bereich, in dem sich das Verdrängte, Unbewusste, Unausgesprochene sammelt, um schließlich doch irgendwann ans Licht zu treten. Ringer begegnet diesem shadowland nicht mit dem Willen zur Deutung, sondern mit einem sensiblen Blick, der Ambivalenzen zulässt und Zwischenräume wahrnimmt: Die gezeichneten pflanzlich-figurativen Formen und fragilen Raumelemente erscheinen wie verkörperte Anteile eines inneren Dialogs. Sie stehen einander gegenüber, berühren sich, ziehen sich zurück. Es sind Begegnungen ohne Urteil.

Auch die kuratorische Setzung der Ausstellung folgt keinem rein didaktischen Aufbau, sondern einer Offenheit, die auf Wahrnehmung, Zusammenhang und atmosphärische Dichte zielt. Der Raum wird zur Bühne innerer Zustände, in dem jedes Werk als ein Mikrokosmos erscheint – zugleich abgeschlossen und durchlässig, Teil eines größeren Zusammenhangs. Hier trifft Ringers Praxis auf eine Denkfigur des französischen Philosophen Gaston Bachelard, der in seiner Poetik des Raumes davon sprach, dass Räume nicht durch Geometrie definiert sind, sondern durch das, was in ihnen schwingt. „Der Raum“, so schreibt er, „ist nicht das, was ihn umgibt, sondern das, was wir in ihm erinnern.“

Diese Erinnerung ist bei Ringer keine lineare Rückschau, sondern eine emotionale Topographie, die sich in Schichten, Überlagerungen und Spuren entfaltet. Ihre Zeichnungen auf Papier – geschaffen mit Pigment, Kohle, Tusche – gleichen tastenden Bewegungen über inneres Terrain. Das Material selbst trägt Bedeutung: verkohltes Holz, Steine, gefundene Objekte werden nicht als Symbole ausgestellt, sondern als Resonanzkörper aktiviert. So entsteht eine poetische Raumordnung, in der die Natur nicht als Außen betrachtet wird, sondern als Mitspielerin innerer Prozesse.

TWO WORLDS – In and out of shadowland meint in diesem Sinn nicht nur zwei Sphären, sondern zwei Bewegungen: die nach innen, hin zu den verborgenen Stimmen und Anteilen des Selbst – und die nach außen, in die Welt der Dinge, der Körper, der sichtbaren Formen. Die Ausstellung lädt ein, sich zwischen diesen beiden Ebenen zu bewegen. Sie schafft einen Erfahrungsraum, in dem das Sehen selbst zu einer inneren Bewegung wird – zögerlich, offen, aufmerksamer als zuvor.

 

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